Warum und wieso Repair Cafés?

Reparieren, eine Eintagsfliege? Nur ein Zeittrend?

Reparieren ist nicht nur ein Trend der Zeit und nicht nur Kult, sondern es ist auch Kultur. Das soziale Miteinander wird so ganz nebenbei gestärkt, Kontakte erneuert oder neu geknüpft, brachliegende Fähigkeiten sind auf einmal wieder gefragt und ja, auch das eine oder andere Selbstwertgefühl wird verbessert. Auch macht es einfach Spaß, gemeinsam ein Erfolgserlebnis zu haben. Aber da passiert noch viel mehr:

Dadurch, dass gleichzeitig an vielen Stellen ganz normale Bürger anfangen, sich zum gemeinsamen Reparieren zusammenzusetzen (statt anderer, möglicher Alternativen), verändern sie etwas nachhaltig: Sie setzen den Fokus "weg von dem Konsum (=Wegwerfen, neu kaufen)" hin zu "Wertigkeit", "Werterhalt", "Erhalten". Scheinbar sehr konservative Ideen, in Wirklichkeit ist das "echter Fortschritt".

"Conservare" heisst ja eigentlich "erhalten", und das ist weder "altbacken", noch ist das "spießig", aber es steht im klaren Widerspruch zu den Interessen unserer Industrie- und Wirtschaftskonzerne.

Spießige Revoluzzer

Insofern ist es eine Trendwende im Kleinen, die zu einer "Großen" führen kann. Eigentlich eine kleine Revolution, bürgerlicher Ungehorsam, echt demokratisches Konsumenten-Verhalten.

Indem wir uns weigern, den schnellen Verfall mitzumachen, dauernd neu zu kaufen, indem wir Dinge für "erhaltenswert" erachten, die vorher einfach nur alt und defekt waren, und dies zusammen mit anderen und mit zunehmender Begeisterung tun (und das in aller Öffentlichkeit), erschaffen wir Kultur.

 

Und wir fördern bzw erschaffen Werte: Durch dieses Umdenken fördern wir die lokalen Werkstätten, denn man traut sich wieder, etwas zu reparieren, weil man sieht, dass es möglich ist. Es wird das Bewustsein geschaffen, dass es nicht immer um die "Rentabilität" einer Reparatur geht. Es gibt eben auch Dinge, die einem "an's Herz gewachsen" sind, deren Reparatur durchaus mehr als den Neupreis betragen darf, man will eben nicht etwas neues, sondern GENAU  DAS. Die alte Stehlampe von Oma, neu hergerichtet, ist ein WERT, den keiner kaufen könnte. Dinge können wieder verwendet werden, sonst hätte man sie halt einfach nicht.

 

Und Fähigkeiten und Fertigkeiten, die seit Jahren nicht mehr geachtet wurden, und die drohten, verloren zu gehen, sind plötzlich wieder gefragt: handwerkliche, technische, organisatorische Fähigkeiten, aber auch das soziale Miteinander. In einer neuen, frischen Form, so dass auch Leute begeistert sind, die vor einem Verein eher zurückgeschreckt wären. Man muss keine Bedingungen erfüllen, um mitzumachen, man muss nicht "beitreten", um dabei zu sein.

Man muss einfach nur "wollen" und "tun"

Und es ist doch Kultur

Und das ändert sehr viel: Das ist eine kulturelle Veränderung, aber es ist auch Kultur im wahrsten Sinn des Wortes, denn neben den sozialen Umgang werden Fähigkeiten und Kenntnisse gepfegt und erhalten, soziale und fachliche Kompetenzen werden gepfegt (auch wenn es sich um Rentner oder Arbeitslose handelt), es wird ein Bewusstsein und der Gemeinsinn gefördert, es wirkt der Ausgrenzung entgegen und vieles mehr.

Konsum abschaffen - Nein!

Unser Wirtschaftssystem baut angeblich auf Konsum und Marktwirtschaft auf und benötigt diese Komponenten auch.

Nur so können (angeblich) Arbeitsplätze erhalten werden, kann das Angebot reichhaltig und günstig sein, nur so sind Innovationen bezahlbar, kurz scheinbar findet nur so Zukunft statt.

 

Aber den Konzernen ist längst aufgefallen, dass in vielen Bereichen eher eine Sättigung eingetreten ist, bzw sogar ein Verzicht oder eine Verweigerung. Bedarfsweckung ist eines der Rezepte, wie man trotzdem was verkaufen kann, obwohl es eigentlich keiner braucht. So kommt es z.B., dass es jedes Jahr mehrere angeblich neue Modelle gibt, die aber nur eine Eigenschaft haben: Sie sind nicht besser oder neuer, sondern nur ABSICHTLICH ANDERS. Oft genug sind sie sogar wesentlich schlechter, und haben sog. Kinderkrankheiten, die eigentlich schon ausgemerzt waren ( z.B. Automodelle). Ein anderer Weg ist die "Featuritis", das ist, wenn Sie einen Fernseher kaufen wollen, dann kann der auch einkaufen, er geht in's Internet, er kann teure Onlinefilme anzeigen und vor allem ist er "zukunftskompatibel", also kompatibel mit einer Zukunft, die er ganz sicher nicht erleben wird.

 

Konsum muss eine freie Entscheidung sein und Spass machen

Von der Wirtschaft werden wir zur Wiederbeschaffung gezwungen, also etwas wieder und wieder zu kaufen, was wir ja eh schon hatten. Nur, weil es schon wieder kaput ist. Das bezeichnen sie dann als Konsum.

Aber das ist falsch: Würden z.B. Autos 50 Jahre halten, heisst das ja nicht, dass man nicht mal ein anderes haben möchte (und das ja auch tun kann). Man kann es ja verkaufen oder tauschen. Aber mit dem Bewusstsein, das es "ewig hält", macht es doch dann auch Spass, sich einen kleinen Cabrio extra zu leisten, man hat ja auf Dauer was davon. Das wäre dann echter Konsum, denn es ist Ihre freie Entscheidung, es macht Spass, und Sie haben etwas davon, und das für lange Zeit. Die Angst der Industrie, man würde das Geld dann unter das Kopfkissen legen, ist völlig irrational, sobald Konsum wieder Spass macht, kurbelt das die Wirtschaft erheblich an. Mehr jedenfalls als der verhasste Zwang, sich schon wieder ein Auto besorgen zu müssen, dass nicht mal bis zum Abzahlen hält, oder ein Küchengerät, einen Staubsauger,...., der die Garantiezeit gerade mal so übersteht. Wir alle wissen, dass es hochwertige und langlebige Geräte gab, die heute noch funktionieren.

 

 

 

 geplante Obsoleszenz:

Die geplante Obsoleszenz ist einer der Tricks, wie man Kunden zwingen kann, wieder und wieder Geld für etwas auszugeben, dass sie eigentlich schon bezahlt hatten, aber es geht eben (geplantermaßen) pünktlich zum Ende der Garantie auch wieder kaputt. Die Möglichkeiten sind da sehr kreativ, von Billigbauteilen, zu knapp dimensionierten Netzteilen oder Leistungsteilen über absichtlich fehlende Kühlung bis zu fest verbauten Akkus ( siehe Apple Ei-fon ), die Liste der Tricks wächst täglich und sehr viele Hersteller aus fast allen Bereichen machen mit. Elektrogeräte, Haushaltsgeräte, Elektronik, Computer, Handys sind davon genau so betroffen wie Autos, ja selbst Windräder sind davor nicht sicher. Suchen Sie mal im Internet unter "Sollbruchstellen" oder schauen Sie gleich beim Meister rein Murks nein danke

Aber es gibt ein immer größere Zahl von Konsumenten, die sich nicht mehr zwingen lassen wollen, in immer kürzeren Abständen Geräte, an deren Bedienung sie sich gerade mal gewöhnt haben, "schon wieder" zu ersetzen. Sie wollen das neueste Handy gar nicht und auch nicht den neuesten Fernseher, ihr Auto soll gar nicht so viel Elektronik haben, usw.

 

Reparatursiegel

eine gute Idee ist ein Reparatur / Nachhaltigkeitssiegel, das gerade in Planung ist.

Vergeben für eine noch nicht genau festgelegte Menge von Eigenschaften, evtl wie beim Energieverbrauch mit einer Skala.

Dazu wird vermutlich zählen: Aufteilung in leicht austauschbare Sektionen statt einer einzigen Baugruppe (Modultechnik), leichtes Öffnen des Gehäuses (Reparierbarkeit), Garantie der Ersatzteilstellung für x Jahre (Ersatzteilversorgung), stabile, langlebige Materialien (Nachhaltigkeit, Qualität), Wiederaufarbeitung der Einzelkomponenten (Rohstoffeinsparung), Recyclingmöglichkeit (Umweltverträglichkeit) und vieles mehr.

Auch eine längere Garantiezeit ohne Aufpreis wäre denkbar, das schfft wieder Vertrauen. Daran arbeiten momentan sowohl europäische Gremien, aber auch die Anstifung

 

Qualität oder Preis?

Wenn Sie sich noch erinnern können: Die deutschen Unterhaltungselektronik-Firmen hatten ein internationalen und sehr guten Ruf. Sie sind nicht an der Billigkonkurrenz aus Fernost kaputt gegangen, sondern an den Managern, die aus Angst vor Umsatzeinbußen angefangen haben, unter ihrem Firmenlogo plötzlich auch billigste Geräte anzubieten, sie haben sich ihr Image selber kaputt gemacht.

 

Kein Kunde weltweit hat sich ein solches, deutsches Gerät gekauft, weil es billiger war, da waren andere immer billiger.

Sie haben es gekauft, weil es besser war und lang gehalten hat.

Siemens, Blaupunkt, Nordmende, Saba, Telefunken, Phillips (war noch nie Deutsch), Schaub-Lorenz, Grundig, AEG, Graetz, Braun, Wega, Körting, Schneider, Metz, Loewe.

 

Einige wenige Marken haben diesen Trend nicht mitgemacht, es gibt sie noch heute, alle anderen sind pleite, und werden nun nur noch als Namen vermarktet (=ausgeschlachtet)

oder wussten Sie etwa nicht, dass hinter Grundig und Telefunken heute türkische Hersteller stehen? Dann machen Sie sich mal schlau: Markennamen

 

Anders lief es im Maschinenbau: Auch die meist noch familiär geprägten Firmen in diesen Bereich stehen billigerer Konkurrenz gegenüber, auch sie werden mit billigeren Herstellern verglichen. Aber diejenigen, die der Qualität und der Innovation treu geblieben sind, die nicht Billigprodukte unter eigenem Namen verkauft haben, die sind heute noch ausgesprochen erfolgreich. Und sie haben sich ihren guten Ruf erhalten.

 

Bezeichnenderweise war es auf vielen Baustellen meine Aufgabe, erst mal die vorhandenen Anlagen zu beseitigen und statt dessen Maschinen dieser Hersteller aufzubauen.

Das bedeutet, dass viele Kunden sich erst mal was "günstigeres" gekauft haben, was sich dann aber als nicht so günstig herausgestellt hat, und nachdem Ausfall viel teurer als die Anschaffung ist, war der Anschaffungspreis beim 2. Mal nicht mehr so entscheidend, sondern die Flexibilität, die Zuverlässigkeit und die Qualität der so produzierten Produkte. Die teureren Maschinen wurden gekauft, um Geld zu sparen.

 

Und genau das würde bei normalen Konsumenten auch funktionieren, allerdings nicht sofort und gleich, sondern langsam, indem Hersteller eine Reparierbarkeit und Haltbarkeit nicht nur versprechen, sondern auch halten.

 

Ansätze gibt es jetzt schon: So wirbt ein ungenannter, asiatischer Autohersteller mit 7 Jahren Garantie, z.T. sogar inkl. aller Verschleißteile. Damit weiß ich genau, was mich 7 Jahre Auto kosten werden, das ist ein Wert.

 

Wenn ein deutscher Hersteller gleichzeitig zugeben muss, dass Reparaturen, Servicekosten und Verschleißteile in 7-10 Jahren durchaus gleich viel kosten können, wie das Auto neu kostet, dann sollte man doch mal nachdenken. Und dass immer wieder sog. "Kinderkrankheiten" und Sollbruchstellen in neuen, deutschen Automodellen zu finden sind, bestreitet keiner mehr, das wurde oft genug nachgewiesen.

 

Geiz ist geil?          Nein, er ist assozial!

Schnäppchenjäger und "Geiz ist geil", ein aktueller Trend, und ein ganz schlimmer!  Ein Schnäppchen kann man nur auf Kosten von Anderen machen, die dafür dann draufzahlen, weil ich ja schlauer bin. Ich nehme also den Nachteil der Anderen in Kauf, nur um selber besser abzuschneiden. Das nennt man richtig "asoziales Verhalten".

 

Und der propagierte "Geiz" geht immer nur um den Preis, nicht um Qualität und Preis, und die Herstellungs-Nebenwirkungen müssen mir auch völlig egal sein, Hauptsache, ich zahle noch weniger. Ob dafür irgendwelche Kinder in Hinterpruftistan 10 Stunden arbeiten oder die Chemie dort die Gegend zerstört, ob deshalb gute Arbeiter in guten Firmen ihren Job verlieren, ob gute, seriöse Unternehmen von kurzlebigen Geschäftemachern ruiniert werden, mir doch egal. Hauptsache, ich hab die Jeans für 5,- € und den MP3-Player für 3,80 € "geschossen", damit kann ich im Bekanntenkreis angeben, der Rest geht mich nichts an.

 

Wertschätzung als Alternative

Und jetzt zurück zu den Repair Cafes und dem gegenläufigen Trend:

Wertschätzung ist das genaue Gegenteil von Schäppchenjägern und Geiz-Aposteln,

und da müssen wir schon wegen der begrenzten Resourcen hin.

Aber auch aus anderen Gründen:

Wertschätzung schafft und erhält Werte, Geiz ist geil zerstört und entwertet sie.

Wertschätzung hat Zukunft und ist Zukunft, es ist auf Dauer ohne Alternative.

Und Wertschätzung betrifft auch Menschen, nicht nur Produkte.

 

Es ist der einzig gangbare Weg, wenn wir eine Zukunft haben wollen.  Also reparieren wir am Samstag wieder ein paar Geräte, obwohl sie es vielleicht gar nicht (wirtschaftlich) wert sein könnten, denn darum geht es nicht. Und wir schaffen Kontakte, Bewusstsein, Werte, Anerkennung und vieles mehr.

 

Fast unverschämt zu sagen, dass das auch noch Spaß macht.